Gliederung

von Kurt Neuweiler

 

 

Zahlen - Volkszählung 1905

 

Wohnplätze:  5  
Haushalte: 570  
Einwohner: 2.427  
  1.221  davon männlich
  1.206  davon weiblich
Zuwachs: 263  seit 1900
  2.437  evangelisch
  75  katholisch

 

 

Sich ein Bild von Calmbach machen

 

Calmbach beschränkt sich auf die Calwer Straße mit Rechtsabbieger Friedhofweg und Mittlere Steige (nicht bewohnt), Schömberger Straße und Viehgasse, die Wildbader Straße vom Rathaus bis zur Ankerbrücke, über diese und die Enzbrücke (rechts unterhalb der heutigen Straße) weiter bis zur Abzweigung Bahnhof, vor der Enzbrücke der "Abzweig" Alte Wildbader Straße, die Alte Höfener Straße vom Anker Richtung Norden der kleinen Enz entlang, die Höfener Straße - vom Rathaus bis zum Schulhaus "bewohnt".

 

Wie kleine Inseln im Wiesental liegen außerhalb 4 Wohnplätze:
- die Äulenssägmühle, 10 Bewohner
- die Bömlessägmühle, 6 Bewohner
- das Spießfeld, 10 Bewohner
- die Zimmersägmühle, 2 Bewohner

 

Also keine Kleinenztalstraße (B294) - erst 1927 gebaut, keine Kriegsstraße - Baujahr 1915, keine Häberlenstraße!

Und also auch ..
.. keine Leimenäckersiedlung,
.. keine Meisternsiedlung,
.. keine Taubenäckersiedlung,
.. keine Brennerau,
.. die ganzen Altwiesen vom Rathaus bis zur Beermiss leer,
.. das Kleinenztal vom Rathaus nach Süden hinaus leer,
.. das Würzbachtal leer,
.. das hintere Calmbachtal leer!

 

Aber 8 Sägmühlern ..
.. die Böhmlessägmühle, 1588 zuerst erwähnt,
.. die Äulenssägmühle, seit 1677,
.. die Zimmersägmühle, seit 1785,
.. die Hauswiesensägmühle, seit 1820,
.. die Dorfsägmühle, seit 1782,
.. die Lohsägmühle, seit 1850,
.. die Gartensägmühle, seit 1837,
.. die Calmbachsägmühle, seit 1830!

 

Was hören wir ?
Die Dampfmaschinen dieser Sägmühlen rattern, fauchen und stampfen, andauernd pfeift es irgendwo Vesper, Mittag oder Feierabend, die Lokomotiven der Württembergischen Eisenbahn lassen Dampf ab.

Lastautos, Personenautos und Busse verkehren noch nicht. Dafür poltern und klappern Langholzfuhrwerke über das Calmbacher Pflaster und laden mit großen Gepolter ihre Stämme bei den Sägmühlen ab. Es sind viele Calmbacher Landwirte unterwegs mit dem zweirädrigen Karren, oft auch mit einer Kuh vorgespannt, die Gras, Holz, Heu, Kartoffeln, ein Mostfass Mist oder Gülle transportieren. Vielleicht fährt auch gerade die junge Frau Commerell von Höfen vierspännig mit der Kutsche durch zur Kaffeevisite nach Wildbad.

Es gibt noch keine Garagen und parkende Autos am Straßenrand, aber in vielen Häusern, insgesamt 234, wohnen 151 Rindviehhalter, das heißt vor zwei von drei Häusern "dampft" eine Miste und sitzen mindestens zwei Holzbeigen. Überall rauchen die Kamine, auch im Sommer, denn gekocht wird auf dem Holzherd.

Aber natürlich hört man noch mehr:
- das Wiehern von 48 Pferden,
- das Muhen von 224 Rindviechern,
- das Blöken von 581 Schafen,
- das Grunzen von 292 Schweinen,
- das Meckern von 29 Ziegen,
- das Gackern von 2.673 Hühnern und
- das Summen von 80 Bienenvölkern!

 

Man riecht auch etwas: das frisch gesägte Holz, das Sägmehl, das der Wind bewegt, den Mist und die Gülle, überall dampft der Mist, fällt auf die Straße, wird Gülle aus der Grube geschöpft und Mist und Gülle sorgfältig auf Wiesen gespreitet und gellert.

Eine Kanalisation die den "Abfall" von 2.427 Einwohnern und 1.137 Stück Großvieh aufnimmt und wegspült gibt es noch nicht. Dieser Abfall wird ertragsfördernd auf Wiesen und Äckern ausgebreitet. Das Sägmehl ist damals ein Politikum. Die Viehhalter brauchen es als Streu, aber es ist zu teuer. Ein Wagen Sägmehl kostet 40 bis 50 Mark, das ist ein Zwölftel des Jahreseinkommens eines Sägmühlenarbeiters. Der Landtagsabgeordnete und Sägewerksbesitzer Commerell muss sich im Landtag dafür einsetzen, dass der Staat mehr Waldflächen zur Gewinnung von Streu bereitstellt. Würden die "Sägmüller" ihren Arbeitern das Sägmehl umsonst geben, bräuchte man den Staat nicht.

 

 

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